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Schaffhauser Nachrichten: Erster Ökumenische Medienpreis der Schaffhauser Landeskirche: Das sind die Gewinner

12 Apr. 2024

Am Mittwochabend wurde zum ersten Mal der Ökumenische Medienpreis der Schaffhauser Landeskirchen an drei Personen...

Fast jede Woche kann man im Winter in Schaffhausen ein klassisches Konzert besuchen. Doch findet die Klassik noch ihr Publikum? Wir haben mit den Veranstaltern geredet.

von Mark Liebenberg

In den Wintermonaten geht es in der Stadt Schaffhausen mit der Klassiksaison wieder so richtig los. Sei es Kammermusik im Zunftsaal zum Rüden oder in der Rathauslaube, seien es Konzerte auf dem Schloss Charlottenfels, seien es Opern im Stadttheater oder Sinfoniekonzerte in der «Konzertkirche» St. Johann – 35 Konzerte oder Vorstellungen mit klassischer Musik listet die Nordagenda in den nächsten Monaten auf. Dazu kommen noch grosse Konzerte lokaler Chöre, wie beispielsweise das Karfreitagskonzert des Oratorienchors. Und dies alles in der Zeit bevor im kommenden Mai das alle zwei Jahre stattfindende Internationale Bachfest Schaffhausen über die Bühne geht. Gefolgt bereits nach der Sommerpause von den Opernfestspielen auf dem Munot.

Ein prall gefüllter Terminkalender für die Freunde von Bach, Beethoven, Brahms & Co. 35 Konzerte in der kleinen Munot-stadt – und weil sich alles in der kalten Jahreszeit drängt, könnte man also als Klassikfan durchschnittlich jede Woche an ein Konzert gehen. Ja, manchmal findet auch noch alles am gleichen Wochenende statt. Doch wer tut sich das schon an? Selbst ­eingefleischte Klassik-Aficionados dürften schnell überfordert sein.


Kämpfen gegen Publikumsschwund

Damit konkurrenzieren sich die Anbieter um ein und dasselbe Publikum, das zahlenmässig eher im Rückgang begriffen ist. Die Folge: Halbleere Reihen, ein nur knapp gefülltes Mittelschiff im St. Johann, gelichtete Sitzreihen im Stadttheater. Ja, bisweilen sitzen im Publikum gefühlt nicht viel mehr Menschen als oben auf dem Podium, wo neben einem voll besetzten Sinfonieorchester eventuell auch noch ein achtzigköpfiger Chor musiziert.

Gibt es ein Klassiküberangebot in der Munotstadt? Die Klassikveranstalter in der Stadt verneinen dies mehrheitlich. Jens Lampater – der als Stadttheaterchef Oper und klassische Konzerte im Spielplan hat und als Manager der alle zwei Jahre stattfindenden Schaffhauser Bachfeste gleich doppelt im Klassikbereich engagiert ist – stellt fest: «Das Angebot ist breiter und vielfältiger geworden.» Das sei auch ein Qualitätsmerkmal findet Lampater. «Doch zum Teil konkurrieren die Anbieter um das gleiche Zielpublikum.» Annedore Neufeld, künstlerische Leiterin des Musik-Collegiums Schaffhausen (MCS) und verantwortlich für die insbesondere mit Orchesterkonzerten aufwartende Reihe «Schaffhausen Klassik» sagt: «Die Konkurrenz ist erheblich und auf einem qualitativ sehr hohen Niveau. Das ist für das Publikum schön, stellt uns aber auch vor Herausforderungen.» MCS-Präsident Raphael Rohner ergänzt: «Die Kulturstadt Schaffhausen bildet sich immer mehr zur Musikstadt heraus. Wir sind überzeugt, dass der Konzertplatz, der auf eine lange Tradition zurückblicken kann, auch in Zukunft seinen Stellenwert behalten wird.»

Werner Bärtschi, Organisator der jeweils vierteiligen Reihe «Meisterkonzerte» im Herbst, sagt: «In jeder Stadt mit einem hochstehenden Konzertleben herrscht ein charakteristisches Überangebot.» Es treffe zu, dass das Schaffhauser Publikum wohl auf die Dauer gleich gross bleiben werde. «Aber Formen und Gewohnheiten ändern sich, man kann sich nicht mehr auf die jahrzehntelange Treue seiner Abonnenten verlassen». Es sei dennoch nie ausgeschlossen, neue Kreise anzusprechen. Das findet auch Helena Winkelman, Komponistin, Violinistin und Organisatorin der Konzertreihe mit dem Basler Ensemble Camerata Variabile. «Das Schaffhauser Publikum ist klein, aber fein – und definitiv erweiterbar.»

«Das Schaffhauser Publikum ist klein und fein – und definitiv erweiterbar.»

Helena Winkelman, Violinistin und Komponistin

Auch wenn ein Direktvergleich mit früheren Jahrzehnten schwierig ist: Von einem eigentlichen Publikumsschwund mag niemand reden. «Im Gegenteil, die Klassikszene boomt sogar», sagt Bärtschi. Lampater ergänzt, diverse Erhebungen aus Deutschland aber etwa auch des Verbands Schweizerischer Berufsorchester, widerlegten die immer wieder erhobene Behauptung, dass die klassische Musik ihr Publikum verliere.

Wie gesagt, ein Direktvergleich mit früheren Jahrzehnten ist schwierig: Von der Auslastung an den einzelnen Konzertveranstaltungen her bäckt man in Schaffhausen naturgemäss seit jeher kleinere Brötchen als in den grösseren Städten. Die angefragten Konzertveranstalter legen die Zahlen der letzten Konzertsaisons auf den Tisch. Bei Schaffhausen Klassik schwankt die Besucherzahl aktuell zwischen 179 und über 400 Besuchern pro Konzert und liegt bei durchschnittlich 338. Bei den Meisterkonzerten schwanken die Zahlen noch stärker – je nach Popularitätsgrad der eingeladenen Musiker. Zwischen über 600 Zuhörern (Giora Feidman) bis runter zu nur 122 zähle man an den Veranstaltungen.

Die Kammermusikformate sprechen meist schon aus räumlichen Gründen ein kleineres Publikum an. Bei «Klassik im Rüden» rechnet man mit rund 50 Zuhörern durchschnittlich, die Camerata Variabile verzeichnet pro Konzert zwischen 60 und 80 Zuschauer, sagt Winkelman. «Da wir Kammermusik machen und deswegen in bewusst kleineren Setups spielen, brauchen wir unseren Kreis, der fast wie eine Familie von hervorragenden Zuhörern ist.»

Dennoch: Keines der Formate überlebt allein mit dem Ticketverkauf. Gerade Orchesterkonzerte sind niemals kostendeckende Veranstaltungen – ohne Beiträge der öffentlichen Hand, ohne Sponsoren, Gönner, Stiftungen und anderen Mitteln könnten kaum fast 40 Konzerte in Schaffhausen durchgeführt werden. Die Meisterkonzerte werden sogar voll von einer vermögenden Stiftung getragen. Stadt und Kanton unterstützen wo sie können, aber das Füllhorn fliesst doch schon auch sparsamer als etwa in unserem nördlichen Nachbarland.

Die Geldfrage beschäftigt indes nicht nur die Veranstalter. Geht so ein Konzertbesuch nicht immer auch ins Geld? Zahlt man bei Schaffhausen Klassik je nach Platzkategorie zwischen 30 und 80 Franken pro Platz, sind es bei den Meisterkonzerten zwischen 35 und 90 Franken. Etwas günstiger ist ein Opernbesuch im Stadttheater (20 bis 50 Franken). Weniger kosten die Kammermusiktickets bei «Klassik im Rüden» (29 bis 39 Franken) oder der Camerata (35 Franken). Mit Ermässigung (Legi/AHV) oder im Abonnement kostet so ein Konzertbesuch dann noch einmal etwas weniger. Trotzdem: Wer das reiche ­Klassikangebot in der Munotstadt ausgiebig nutzt, hat ein eher teures Hobby. Ist es nicht gemütlicher, zuhause auf dem Sofa erstklassigen Tonaufnahmen nach Wahl zu lauschen statt unter meist fremden Leuten in einer Kirchenbank mit eingeschränkter Sicht auf das Konzertpodium? Auf Youtube, Spotify und anderen Online-Diensten kann man sich sein Programm nach Wunsch gratis zusammenstellen und Opernübertragungen, die kann man sich in besserer Bild- und Tonqualität und in besser ­gepolsterten Sesseln ansehen, als sie das Stadttheater jemals zu bieten vermag.

Vehementer Widerspruch von Seiten der Veranstalter. «Das physische Live-Erlebnis inmitten eines realen Publikums kann durch keine noch so gute Übertragung ersetzt werden», sagt Lampater. Genau gleich sieht es Winkelman. «Die Interpreten auf Spotify oder Youtube spielen aber nicht für Sie! Also sind sie in ihrem Kunstgenuss einsam und können auch nichts zur Aufführung beitragen», sagt sie. Mit allen Sinnen hautnah erleben, wie Profis Musik entstehen lassen, könne durch keine Aufnahme ersetzt werden, sagt Neufeld. «Und wir beobachten, dass die Bereitschaft nach wie vor steigt, für echte und einmalige Erlebnisse zu zahlen – oder eben für ‹Events›.»

«Wir beobachten, dass die Bereitschaft, für einmalige, echte Erlebnisse zu zahlen, nach wie vor steigt.»

Annedore Neufeld, Dirigentin/künstlerische Leiterin MCS

Da stellt sich die Frage, ob die Veranstalter nicht viel mehr tun müssen, um ihren Konzerten einen Event-Charakter zu verleihen, um das breite Publikum anzuziehen. Das hartnäckige Vorurteil des Elitären haftet nämlich der E-Musik an. Dabei ist der mitteleuropäische Bildungsbürger eine aussterbende Spezies, für den Museumsbesuche, Theatervorstellungen und ein Konzertabo zur kulturellen Grundversorgung gehört. Das ist in Schaffhausen nicht anders. «Unsere Gesellschaft ist vielfältiger geworden und die Konkurrenz im Freizeitverhalten grösser. Diese Tendenz sollte uns aber nicht entmutigen», sagt Rohner. Man müsse das eigene Programm eben immer aufs neue überdenken.

Einen Schritt in Richtung mehr Event geht eine achtteilige Matinéereihe jeweils an einem Sonntag im gediegenen Zunftsaal zu Rüden – wo einst Johannes Brahms himself auftrat. Jann Flütsch vom Verein Klassik im Rüden erklärt: «Wir haben quasi eine Stammkundschaft aufgebaut, die unsere Konzerte auch wegen dem Drumherum schätzt.» Vor dem Konzert gebe es Kaffee und Gipfeli und danach einen Apéro. Und öfters mal sei im Rüden auch mal der Jazz zu Gast. Auf diese Weise will man sich, so Flück, auch ein wenig abgrenzen zur ähnlichen Kammermusikreihe «Kulturelle Begegnungen» des MCS.

Es gäbe freilich einen weiteren Kniff, womit die Klassikanbieter in Schaffhausen vermutlich vollere Säle und klingendere Kassen erzielen könnten: Indem man das spielt, was einem breiten Publikum bekannt ist. Ein Konzertprogramm mit den bekannten Klassik-Hits (Kleine Nachtmusik! Beethovens Fünfte! Nussknacker-Suite!), verkauft sich sicherlich leichter, als beispielsweise ein Abend mit unbekannteren Beethoven-Sonaten, Werke von Komponisten, deren Namen der durchschnittliche Konzertgänger noch nie gehört hat oder – für nicht ­wenige Konzertgänger noch schlimmer – Musik des 20. Jahrhunderts, voller Dissonanzen!


Zu konservativ, zu alt?

Mehr Hits spielen um die Leute in die Konzertsäle oder in die Oper zu locken – Jens Lampater sagt klar: «Ja. Das spielt bei unseren Überlegungen auch eine Rolle». Andererseits hat das Theater einen Bildungsauftrag und kann nicht einfach nur die Hitparade der be­kanntesten Werke spielen. Und einen hohen künstlerischen Anspruch ver­folgen auch die anderen Veranstalter. Planen sie aber mit einer schwer verdaulichen, zu gesuchten oder schlicht zu ambitionierten Werkauswahl nicht bisweilen am Geschmack des breiten Publikums vorbei?

Werner Bärtschi sieht es so: «Es wäre töricht, einfach auf Populäres zu setzen. Freilich wäre es ebenso töricht, dem Populären auszuweichen.» Annedore Neufeld gibt zu bedenken, dass die «Hits» nicht unbedingt von schlechterer Qualität sind. «Wir nehmen diese Werke deshalb ja auch gern in unser Programm auf.» Aber das Schaffhauser Publikum sei auch offen für anspruchsvolle Klassikstunden. «Wir beobachten, dass die Bereitschaft unseres Publikums, sich auf Neues oder Unbekanntes einzulassen, stetig wächst.»

Bei allen Unterschieden haben die Schaffhauser Konzertveranstalter eines gemein: Sie planen für ein überwiegend lokales Publikum. Dass Zürcher oder Basler Klassik-Fans in Scharen für Konzerte nach Schaffhausen pilgern, kommt eher selten vor. Umgekehrt schon eher. Zürich, Winterthur und auch Basel haben ein Klassikangebot der Spitzenklasse – und sind mit den Zugverbindungen heutzutage einen Katzensprung entfernt. Und dort geben sich die Weltstars unter den Interpreten, die man sich in Schaffhausen nicht leisten kann, die Klinke in die Hand.

Falsch, findet Lampater. «Da ist mir zuviel Schaffhauser Kleinmut drin. Wir haben hier immer wieder die Weltstars, für die man auch im Concertgebouw, der Elbphilharmonie oder der Tonhalle Schlange steht.» Er verweist auf Namen wie Patricia Kopatchinskaja in den Meisterkonzerten, René Jacobs am Bachfest oder Katha Buniatishvili beim MCS, die in der laufenden Saison hier auftreten. «Wir müssen uns nicht verstecken» findet auch Neufeld. «Das Schaffhauser Publikum interessiert sich vor allem für qualitativ hochstehende Konzerte.» Das entspreche auch dem statutarischen Auftrag des MCS. Und Bärtschi räumt ein, dass der Wohlstand und Mobilität der Klassikinteressierten zwar zugenommen habe. «Aber die Meisterkonzerte orientieren sich nicht an Stars, sondern eben an Meistern. Und da fürchten wir den Niveauvergleich mit andere Städten nicht.»

Eins schliesslich, ist aber (auch) in Schaffhausen schwer zu übersehen: das Durchschnittsalter des Publikums an klassischen Konzerten ist hoch. Polemisch war anderswo schon vom «Silbersee-Effekt» an Klassikveranstaltungen die Rede, weil das Haupthaar der Publikumsmehrheit überwiegend grau ist. Angesichts der demografischen Zusammensetzung der Schaffhauser Bevölkerung könnte dies für Klassikanbieter ja sogar ein Vorteil sein. Doch wie kann man auch die Jungen ansprechen?

Lampater und Rohner verweisen auf eine ganze Reihe von Schulklassen, Jugend- und Familienkonzerte, die in den letzten Jahren neu lanciert worden sind. Mit mehr Vermittlung soll auch das Klassikpublikum verjüngt werden. «Konventionelle Konzerte sind bei uns bei weitem nicht das Einzige, aber im Vergleich zu Events wie ‹Oper für alle› oder ‹Tonhalle-Late› in Zürich haben wir’s aber sicher schwer», sagt Lam­pater. Letzteres ist ein spätabendliches Konzert des Tonhalleorchesters, gefolgt von einer rauschenden Partynacht samt angesagten DJs für ein junges Publikum.Überhaupt kein Problem mit dem Durchschnittsalter des Publikums hat Bärtschi. «Dass vor allem ältere Menschen klassische Musik bevorzugen, ist nicht verwunderlich. Vielleicht sollte man sich mal überlegen, was diese Tatsache über die klassische Musik aussagt!».Anders als in Grossstädten fehle gerade in Schaffhausen eine Szene junger Leute, die aktiv ins Konzert gehen, sagt Winkelman. «Eine Schwellenangst ist bestimmt da. Es braucht ein ziemliches Know-How, um beurteilen zu können: Ist dieses Programm, dieses Ensemble etwas für mich?» Als jüngerer Mensch gehe man aus anderen Gründen aus. «Ich ging in die Disco, weil dort der Junge war, den ich mochte», sagt sie lachend. Später ändere sich dies. Ein Konzert­besuch sei doch eine schöne Art, «mit einem Menschen, der mir wichtig ist ­etwas Bedeutungsvolles zu erleben.»

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