von Martin Edlin

Der Weg ist das Ziel: Beim Hochrhein-Kunstweg, der zwischen Schaffhausen und Stein am Rhein zu Kunstorten und zu Werken der Gegenwartskunst im öffentlichen Raum führt und jetzt eröffnet wurde, trifft die konfuzianische Weisheit ins Schwarze.

Zur Einweihung wurde kein über den Weg gespanntes Band durchschnitten, und solides Schuhwerk war auch nicht vonnöten, dagegen von Vorteil ein Handy und (angesichts des dicht an dicht besetzten Vortragssaales) eine Gesichtsmaske. Die Eröffnung des Hochrhein-Kunstwegs wies am Samstag im Museum zu Allerheiligen – von einem halben Dutzend Ansprachen, einer musikalischen Umrahmung (durch den Harfenisten Pablo Dal Cero) und dem Apéro abgesehen – so seine Besonderheiten auf: ein konkretes Zeremoniell für die Existenz eines nur theoretischen Pfades zu Werken der Gegenwartskunst im öffentlichen Raum entlang des Rheins zwischen Stein am Rhein und – mit Abstechern nach Thayngen und Ramsen – Schaffhausen. Dazu ein Schuss Virtuelles: Stösst man auf diesem «Weg» auf einen der dreizehn Kunstorte oder auf eines der dreizehn Kunstwerke, findet man auf einer Metalltafel einen QR-Code. Scannt man diesen mit seinem Handy, Smartphone oder Tablet, erhält man auf dem Bildschirm umgehend viele Informationen über das Kunstwerk und über die Künstlerin oder den Künstler. Der Interessierte ohne ambulante Elektronik kann sich auch mit einem Pocket Guide behelfen oder sich zu Hause am Computer informieren, wenn er die Homepage des Kunstvereins Schaffhausen aufruft.


Ein langer Weg

Es brauchte viele Jahre und drei Anläufe, bis der Kunstverein Schaffhausen dank der treibenden Kraft von Vizepräsidentin Beatrice Schäfli das anvisierte Ziel erreichte: Mit dem Hochrhein-Kunstweg wird das vom Trägerverein Bodensee Kulturraum betreute Weg-Geflecht zu «Kunst an 1000 Orten» (Donau/Hegau-, Oberer-Neckar-, Oberschwaben- und See-Kunstweg) in der Schweiz weitergeführt. «Vollendet», sagte beglückwünschend Manfred Sailer, Vorsitzender des Vereins Bodensee-Kulturraum e. V., wurde aber von Kunstverein-Präsident Stephan Kuhn umgehend korrigiert: «Der Weg ist nie fertig. Wir werden ihn weiterentwickeln und sind dazu auch schon im Gespräch.»

Raphaël Rohner, Stadtrat

 

«Der Kulturraum rückt über alle Grenzen zusammen und lässt innere Verbundenheit lebendig werden.

 

Was die Kunstwege im Bodenseeraum bezüglich des Entdeckens bestehender Kunstorte und Begegnungen mit bedeutenden Werken der Gegenwartskunst (nach 1960 erschaffen) zu vermitteln vermögen, zeigte Gunar Seitz, Kurator des Vereins ­Bodensee Kulturraum, in einem mit vielen Bildern illustrierten Referat. Doch auch das, was nun am Hochrhein «erschlossen» ist, lässt sich sehen: Das zeigen Kunstorte vom Neuhauser «reinart Kunstraum» über das Museum zu Allerheiligen und die ­Vebikus-Kunsthalle bis zur «Galerie am Kranz» in Ramsen, zum Kulturzentrum Sternen Thayngen oder dem Museum Lindwurm in Stein am Rhein ebenso wie die Kunstwerke – von ­Ernesto Hebeisens Aluminium-Plastik «Dreiklang bei Nacht» am Rheinfall über Kurt Bruckners «Fabel­wesen» im Rhein auf Feuerthaler Seite bis zu Eugen Del Negros malerischer Wandarbeit an einem Altstadthaus in Stein am Rhein. ­Intimere Ortskenntnis setzt das Finden von Jenifer Bennets Bronzeskulptur voraus, die an die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen erinnert: Man muss wissen, wo der Rauschengutpark liegt, ­ersatzweise ein GPS zur Hand haben, um die Position 47°41’48.9’’N8°37’30.0’’E47.6966913,8.625010 zu ermitteln.


Integrierender Kunstraum Bodensee

Der Freund von Gegenwartskunst in unserer Region ist aber nicht nur bezüglich QR-Code und GPS gefordert, sondern erlebt ebenso, was mit dem Kunstweg Hochrhein zum Ausdruck kommt. «Der Kulturraum rückt zusammen, und zwar über alle Grenzen, und lässt eine innere Verbundenheit und Integration lebendig werden», meinte Stadtrat und Kulturreferent Raphaël Rohner an der Eröffnungsfeier.Zum Schluss des Anlasses war dann doch noch Gelegenheit, wenigstens ein paar Meter des eben eröffneten Kunst­weges zu beschreiten – vom Vortragssaal in den Klosterkreuzgang, wo Julian Denzler, Kurator Gegenwartskunst am Museum zu Allerheiligen, zwei Beispiele für Kunst-­Begegnung per QR-Code demonstrierte: anhand der Bronzeplastik «Horchender» von Rudolf Blättler und des Reliefs «Liegende und zwei Personen» von Hans ­Josephsohn – ein Werk, das gar nicht zu ­sehen war, weil es für die am kommenden Freitag Vernissage feiernde Josephsohn-Ausstellung ins Museum verlegt worden ist, aber eben dank QR-Code wenigstens auf dem Handy sichtbar wurde.