Nun liegen die ersten Ergebnisse der Wirksamkeitsanalyse «Frühe Deutschförderung» vor. Unter der Ägide von Bildungsreferent Raphaël Rohner wurde am Mittwoch ein positives und ermutigendes Fazit gezogen. Die Rede war von einer Erfolgsgeschichte.

von Alfred Wüger

Gleich zu Beginn sei’s gesagt: Die Präsentation der Ergebnisse der Wirksamkeitsanalyse «Frühe Deutschförderung» am Mittwoch im Vortragssaal des Museums zu Allerheiligen war eine Hoffnung schürende Angelegenheit.

Bildungsreferent Raphaël Rohner, Kathrin Menk, die Bereichsleiterin Bildung, Kathrin Borer, Leiterin der Fachstelle Frühe Förderung, und Miriam Vock, Projektleiterin Frühe Deutschförderung, stellten die ersten Ergebnisse vor von dem, was im Jahre 2014 mit der Verabschiedung des Grossen Stadtrates von zehn Massnahmen zur Frühen Förderung begann. Im Rahmen des Pilotprojektes, das 2018 gestartet wurde und noch bis 2022 laufen wird, zeigte sich nun, dass die ersten Ergebnisse auf ein Erfolgsmodell schliessen lassen.

Chancengleichheit steigt

Einleitend fasste Stadtrat Rohner die politischen Rahmenbedingungen des Pilotprojektes zur Frühen Deutschförderung so zusammen: «Ganz allgemein ist die Frühförderung in der Agenda der Kantone und auch der Gemeinden deutlich nach vorne gerückt. Und die Stadt Schaffhausen ist ganz vorne dabei.» Man habe in den letzten Jahren erkannt, dass die frühe Kindheit eine entscheidende Phase sei. Das bedeute, wenn man Defizite in der Entwicklung früh erkenne, könne man massgeblich dazu beitragen, dass die Chancengleichheit in der Schule und damit auch in der Gesellschaft steige. «Dies», so Rohner, «ist ein Beitrag zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund.» Und, dies verschwieg der Bildungsreferent ebenfalls nicht: zur Armutsbekämpfung.

 

«Dies ist ein Beitrag zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund.»

Raphaël Rohner, Bildungsreferent der Stadt Schaffhausen

Dass die Sprache eine Schlüsselkompetenz ist, dürfte ein Allgemeinplatz sein. Umso wichtiger, dass Defizite in diesem Bereich früh erkannt werden. Über ein Drittel der Kinder, die in den Kindergarten eintreten, hätten mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache, was den Kindergarten und die Schule, insbesondere die Primarstufe, erheblich belaste.

Die Leiterin des Projektes «Frühe Deutschförderung», Miriam Vock, gab ein Beispiel von einem Kind, das in einer mehrsprachigen Familie aufwächst. Beide Eltern könnten zwar deutsch, aber trotzdem werde eben mit dem Kind nicht deutsch gesprochen. Obwohl das Kind deutschsprachige Freunde habe, verfüge es, als man es anderthalb Jahre vor dem Eintritt in den Kindergarten einem Test unterziehe, über ungenügende Deutschkenntnisse.

Wie wird dieser Istzustand ermittelt? ­Indem allen Personen mit so kleinen Kindern in der Stadt Schaffhausen ein zweisprachiger Fragebogen in Deutsch und einer von elf weiteren Sprachen zugestellt wird. Im Rahmen des Pilotprojektes wurden 334 Familien angeschrieben, 304 Antworten gingen ein, und 88 Prozent davon konnten durch die Universität Basel ausgewertet werden. «Es zeigte sich», so Miriam Vock, «dass 37 Prozent der so ermittelten Kinder Bedarf an Sprachförderung haben. Und die Hälfte von diesen spricht kaum deutsch.»

Was nun? Es wird den Eltern empfohlen, ihr Kind in eine Spielgruppe oder in eine Kindertagesstätte zu geben. Die Eltern folgten dieser Empfehlung sehr bereitwillig. «Die Sprachkenntnisse der Hälfte der geförderten Kinder haben sich so sehr verbessert, dass sie beim Start in den Kindergarten genügende Deutschkenntnisse hatten.» Dieses Ergebnis sei vor allem deswegen bemerkenswert, so die Projektleiterin weiter, weil die Befragung auf freiwilliger Basis erfolgt sei. Fazit: «Die Eltern sind sehr interessiert an der Sprachentwicklung ihrer Kinder.» Miriam Vock empfiehlt folglich, dass die Sprachstanderhebung in der Zukunft weitergeführt werde.

 

Damit rennt sie beim Bildungsreferenten Rohner offene Türen ein, denn dieser hatte schon in der Einleitung davon gesprochen, dass Frühförderung für ihn eine Herzensangelegenheit und daher Chefsache sei. Allerdings ist nicht nur die Sprache eine Schlüsselkompetenz für angehende Kindergartenkinder. Gemäss Befragungen bei den Lehrpersonen gehören neben der Sprach- auch die Sozial- sowie die Selbstkompetenz zu dem, was ein Kind braucht, um erfolgreich in das Bildungssystem einzutreten. Kinder, die leicht Kontakt aufnehmen und sich leicht in Gruppen bewegen können – was naturgemäss einfacher ist, wenn sie die Sprache beherrschen –, würden sich in der Regel auch leichter von den Eltern lösen. «Die Kinder werden das Leben lang von der Frühförderung profitieren», so Miriam Vock.

Kathrin Borer hob hervor, dass ihre Fachstelle Frühe Förderung die Anlaufstelle für Eltern sei. «Wir richten auch ein spezielles Augenmerk auf die Nahtstelle Vorschule/Schule, um diesen Übertritt für alle Beteiligten zu optimieren.» Man werde nun die Erkenntnisse zusammenführen und im Jahre 2023 ein passendes und nachhaltiges Modell für die Stadt Schaffhausen präsentieren. «Es lohnt sich, dass man hier investiert. Wir sind das den Kindern und der Gesellschaft schuldig», so Raphaël Rohner. «Ende des nächsten Jahres wird der Stadtrat mit einer Vorlage an den Grossen Stadtrat gelangen und dann ans Parlament mit der Empfehlung, die Sprachstanderhebung definitiv einzuführen.»

Kathrin Borer, Leiterin der Fachstelle Frühe Förderung, Projektleiterin Miriam Vock, Stadtrat Raphaël Rohner und Kathrin Menk, Bereichsleiterin Bildung, präsentieren erste Ergebnisse der Wirksamkeitsanalyse «Frühe Deutschförderung». Bild: Eric Bührer
 

Nach wissenschaftlicher Erkenntnis

Kathrin Menk wies darauf hin, dass auch einkommensschwache Familien von der Frühförderung profitieren könnten. «Diese Familien werden von uns finanziell unterstützt.» Nun noch die Frage, was heisst «Deutsch»? Mundart oder Standardsprache? Aufgrund des Konzeptes «Alltagsintegrierte Sprachförderung» sei es möglich, dass die Fachpersonen in den Kindergärten in ihrer Muttersprache – sei dies Schweizerdeutsch oder die Schriftsprache – arbeiten, sagte Kathrin Borer.

Klar wurde auch dies: Die Dialogbereitschaft als Unterkompetenz der Sprachkompetenz muss sehr hoch eingestuft werden. Vielleicht müsse in dieser Hinsicht der Fragebogen überarbeitet werden, sagte Miriam Vock. «Mein Anliegen ist ein Fragebogen, der der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht.»